Hamburg Marathon 2015
Der jährliche Frühjahrsmarathon mit Fotoapparat und einem dazu verfassten Erlebnisbericht, so wie in den letzten Jahren Tradition, stellte sich 2015 für mich zunächst als nicht so einfach zu lösendes Problem dar. Wir hatten zwar als Laufgruppe schon längere Zeit den Hamburg-Marathon im Visier, bei dem einige von uns Simone Cotta bei ihrem ersten Marathon begleiten wollten, andererseits wollte ich in diesem Frühjahr nach dem gut gelaufenen Herbstmarathon 2014 mal wieder versuchen etwas schneller über diese Distanz zu kommen. Damit musste also ein zweiter Marathon in die Planung.
Die Wahl fiel auf Hannover, den ich dann nach achtwöchiger Umsetzung des harten Greif-Trainingsplanes in meinem ersten Jahr in der M60 in einer für mich in keiner Weise erwarteten Zeit von 3:19:15 h beenden konnte. Damit stand dem Genussmarathon eine Woche später in Hamburg, den ich 1994 zuletzt gelaufen bin, nichts mehr im Weg. Mit von der Partie waren außerdem Ute Höhler, Helge Hallmann und Uwe Wirsing.
Nur letzterer war nach wie gewohnt sehr gründlicher Vorbereitung heiß auf einen schnellen Lauf, alle anderen wollten nur gemeinsam mit Simone gut ankommen. Wir starten am Sonnabend in Leipzig bei Zeiten, die Wetterprognose stimmt zwar in Bezug darauf, dass keine große Hitze zu erwarten ist, ganz optimistisch, ist aber angesichts der bestehenden Regenwahrscheinlichkeit auch nicht wirklich prickelnd.
Mit der U-Bahn sind wir am Marathontag schnell an den Messehallen. Die Bedingungen für einen City-Marathon mit einer Teilnehmerzahl von um die 20.000 Startern sind hier ideal. Nach dem bestehenden Platzangebot könnten da bestimmt auch gut 10.000 Starter mehr verkraftet werden. Auch die ganze Organisation ist mustergültig, es gibt keine Staus bei der Abgabe der Kleiderbeutel.
Es sind helfende Hände aus allen Altersgruppen anzutreffen. Man sieht sehr deutlich, dass da 30 Jahre Erfahrung zu Buche schlagen. Die Startblöcke haben im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen jedoch nur informativen Charakter, es ist interessiert niemanden an welcher Stelle man sich hinein stellt. Das Wetter entspricht genau der Prognose, es ist bewölkt und ab und zu tröpfelt es. Insgesamt keine schlechten Bedingungen, insbesondere kein störender und in den Morgenstunden auch kühlender Wind. Zum pünktlich um neun vollzogenen Start steigen Luftballons auf. Wir lichten uns noch mal in einem Spiegel ab und dann beginnt für Simone das Abenteuer Marathon.
Bereits nach zwei Kilometern geht es über die Reeperbahn, die zu dieser frühen Morgenstunde natürlich fast wie ausgestorben ist. Während die meisten Einrichtungen, wie die „Edelkaschemme“ oder „Table Dance Blue Night“, geschlossen haben, ist an einzelnen noch geöffneten Türen erkennbar, dass die letzten Kunden offensichtlich diverse Etablissements noch nicht verlassen haben.
Trotz des für die Zuschauer wenig attraktiven Wetters haben sich doch eine ganze Menge an der Strecke eingefunden.
Wie bei den großen City-Marathons gewohnt, sind vor allem Bands am Streckenrand, um den Marathonis den Lauf zu versüßen. Aber auch sich teilweise richtig ins Zeug legende Einzelkünstler heizen die Stimmung an.
Ab km 7 geht es mit zeitweise schönem Ausblick auf das riesige Hafenareal immer an der Elbe entlang. Wir nähern uns mittlerweile der 10 km Marke, die wir nach 62 min. passieren. Ein sehr guter Schnitt. Wenn wir den halten könnten, dann wäre das schon eine Wahnsinnssache. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem heutigen trüben Wetter jemand gesundheitliche Probleme bekommt, ist gering. Entsprechend wenig beschäftigt sind die in regelmäßigen Abständen positionierten Rettungssanitäter.
Die Verpflegungsstellen werden auf den jeweiligen Schildern recht nobel angekündigt. Es gibt jedoch auch nur die traditionellen Dinge wie immer, Messer und Gabel werden nicht gebraucht. Obwohl Null Sonne, geht Wasser sehr gut. Und auch in Hamburg ist es so, wie bei allen anderen großen City-Marathons häufig auch zu sehen, dass gar nicht so wenig Marathonis den Angaben des Veranstalters, dass alle 2,5 km eine Verpflegungsstelle vorhanden ist, offensichtlich nicht wirklich glauben. Das Mitführen von Getränkegürteln, das wir Simone übrigens vor dem Start erfolgreich ausreden konnten, ist weit verbreitet. Helge regt an, doch auch einmal ein paar schöne Details der hier im Hamburg mit einer Finisherquote von knapp 23 % vertretenen weiblichen Teilnehmer aufs Foto zu nehmen. Ich bin schnell überredet. Aber auch neckische Köpfe sind ein Foto wert.
Eine kleine Seemannsband besingt an den Landungsbrücken in einem sehr schönen Lied, was heute zur Freude der Marathonis und zum Leidwesen der vielen Zuschauer nicht vorhanden ist, den Sonnenschein. Und auch ein Spielmannszug unterhält uns mit schön gespielter Musik. Es geht vorbei an der Hafencity. Simone gibt unzweifelhaft zu verstehen, dass sie voll motiviert und sehr gut drauf ist.
Die bei km 16 erreichte Binnenalster wird umrundet und von dort geht es dann entlang der Außenalster in Richtung Nord. Auch hier sind die Zuschauer natürlich voll in Aktion und feuern die Aktiven an. Wir nähern uns dem Ende der Außenalster und damit endlich der hier befindlichen Halbmarathonmarke. Ich war die letzten km doch ein wenig frustriert, dass wir diesen Punkt nicht bald endlich im Sack haben und es bergab geht. Die Zwischenzeit wird mit 2:10:17 h angezeigt. Eine sehr gute Kür. Wenn jetzt die Pflicht auf der zweiten Hälfte ebenso gelingt, das wäre für mich ehrlich gesagt eine kleine Sensation. Gerade für sich neu auf diese Distanz wagende Läufer ist das meistens schwer hinzubekommen.
Was heute doch recht auffällig ist, es sind kaum kostümierte Marathonis unterwegs. Zumindest nicht in der Region des Läuferfeldes, in der wir unterwegs sind. Mir fallen nur der König von Deutschland und ein Marienkäferpaar auf, das Helge gleich mal für ein Foto zu sich nimmt.
Und jetzt stimmt auch das Schild, was eine Zuschauerin mit sich führt: zurück lohnt tatsächlich nicht mehr. Auch andere Poster sind zu sehen, manche vielleicht sicher nicht ganz ernst gemeint oder auch mit tieferer Bedeutung.
Simone, Ute und Helge klatschen immer noch fleißig ab und werden dafür auch häufig durch Rufen ihres Vornamens angefeuert. Zumindest die beiden Mädels. Ja und dann bieten zwei süße kleine Mädchen Melone an. Da kann man nicht einfach so vorbei laufen und das abschlagen.
Und auch auf einem Tisch einer privaten Verpflegungsstelle ist alles zu finden, was man sich so denken kann. Das Angebot eines Dickmanns und eines Knackwurstbrotes kann ich noch abwehren, aber bei einem Glas Sekt ist dann mein Widerstand schlagartig bei Null. Hier im Park kurz vor km 25 ist auch richtig etwas los. Angesichts der am Streckenrand stehenden Zuschauerunterstützung ist man da manchmal fast geneigt stehen zu bleiben und sich das eine Weile anzuschauen.
Der Grund, warum wir in der Zwischenzeittabelle der Ergebnisliste zwischen km 25 und 30 plötzlich nur eine km-Zeit von 6:30 min. stehen haben, liegt einzig und allein daran, dass die beiden Mädels mal ein Dixie besuchen müssen. Wir nähern uns dem nördlichsten Streckenpunkt in Ohlsdorf. Zuvor passieren wir die 30 km Marke bei knapp 3:07 h, das hört sich richtig gut an. Uwe, der nun schon im Ziel ist, hat den Vorteil, dass er den jetzt einsetzenden Regen nicht mehr auf der Strecke erlebt. Für uns wird es nun doch etwas ungemütlich. Meinen Fotoapparat habe ich jetzt, wie die Motorradbesatzung ihre Kamera auch, unter einer Folie verpackt.
Mittlerweile geht es richtig heftig zur Sache mit dem Regen. Wir sind schnell fast völlig durchgeweicht und um die Pfützen herum zu laufen, das nützt auch nichts mehr. Aber auch das mistige Wetter hält viele Zuschauer überhaupt nicht davon ab, uns weiterhin mit vollem Elan anzufeuern. Man hat fast den Eindruck, dass manche erst jetzt zur Hochform auflaufen. Das ist zumindest bei zwei Hamburger Polizisten anzunehmen, die die Marathonis voller Inbrunst, und nicht nur weil ich sie fotografiere, richtig herzlich anfeuern. Ich war schon vorbei gelaufen und mache noch mal zurück, um das im Bild festzuhalten.
Und bei einer rot beschirmten Zuschauerin stellt sich mir angesichts des gezeigten Temperaments die Frage, was da wohl abgeht, wenn nicht nur eine simple Marathonveranstaltung ansteht. Auch die Bands lassen sich von dem Regen nicht beeindrucken und sind engagiert bei der Sache. Und die Massagetische sind so kurz vor dem Ziel immer noch gut besucht.
Ich bin angesichts der Tatsache, dass Simone nach mittlerweile schon weit über 35 absolvierten Kilometern immer noch ohne jegliche Anzeichen von Müdigkeit locker flockig unterwegs ist, sehr erstaunt. Das hätte ich ihr nach der insgesamt nicht gerade optimalen Marathonvorbereitung – Verletzung am Sprunggelenk im Oktober 2014, schmerzhafte Sehnenreizung Mitte Februar und auch danach immer wieder kleinere Rückschläge – so nicht zugetraut. Ich verständige mich mit Helge, dass wir angesichts ihres bravourösen Laufes unbedingt von der sonst von den Männern praktizierten Verfahrensweise „nichts gesagt ist genug gelobt“ abweichen und das richtig gut würdigen müssen. Tja, und wer nach 40 km noch so strahlt, für den sollte der ausstehende Rest ein Kinderspiel sein.
Und es ist tatsächlich so. Obwohl der letzte Abschnitt spürbar leicht ansteigt, laufen wir mit 5:50 min. für den km den schnellsten Streckenabschnitt dieses Marathons. Also, wenn das nichts ist!!! So eine Leistung kann sich mehr als sehen lassen!!! Auf rotem Teppich geht’s in die von Zuschauern flankierte Einlauf-gasse und dann haben wir das Ding Hand in Hand ins Ziel laufend in einer sensationell guten Zeit von 4:19:48 h im Kasten. Und als es die Finisher-Medaillen gibt, strahlen unsere beiden Mädels um die Wette.
Aus den eingestoppten Zwischenzeiten ist zu entnehmen, dass wir die zweite Hälfte ungefähr eine Minute schneller unterwegs gewesen sind. Wem so etwas beim Marathondebüt gelingt, der hat wirklich alles richtig gemacht. Und neben dem runden Veranstaltungsgeburtstag geht Simones „Erster“ dann auch noch, nicht ganz zufällig, mit weiteren Jubiläen einher. Während ich meinen 120. Marathon zielgerichtet hier platziert habe, absolvierte Ute heute ihren 5. Marathon. Nur Helge hängt mit Nr. 17 etwas zwischen den runden Zahlen.
Auch auf Grund dessen, dass beim Abholen der Kleiderbeutel noch gefühlt tausende auf ihre Besitzer warten, lässt sich sehr zuverlässig ableiten, dass wir heute wirklich gut unterwegs gewesen sind. Als wir dann endlich aus den nassen Klamotten heraus sind und ein alkoholfreies Bier in der Hand halten, dann ist die Welt für uns vier der fünf LVB-Starter so richtig in Ordnung. Ob das für Uwe mit seiner Zeit von 3:00:37 h auch so ist, ist eher nicht zu vermuten. Und die auf dem Shirt eines Läufers gestellte Fra-ge wäre damit auch geklärt: weil es einfach geil war.
Andreas Gelhaar
LVB-Laufgruppe